Prof. David Antons und Dr. Susan Stead im Interview zum Projekt "SmartHospital.NRW".
Unsere Professorinnen und Professoren engagieren sich nicht nur mit Herzblut für die Lehre, sondern sind auch in der Forschung aktiv: So zum Beispiel innerhalb eines Projekts zur Transformation bestehender Krankenhäuser zu intelligenten Einrichtungen der Zukunft, den sogenannten Smart Hospitals. Das Bundesland NRW fördert das Projekt SmartHospital.NRW für fünf Jahre mit rund 14 Millionen Euro. Wir haben mit Prof. David Antons, Direktor des Instituts für Technologie- und Innovationsmanagement, und Dr. Susan Stead, Leiterin des Healthcare Innovation Labs, über die Ziele und Chancen des Projekts gesprochen.
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Welche Potentiale bietet Künstliche Intelligenz in der Medizin?
Prof. Antons und Dr. Stead: Die größten Potentiale für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin bestehen in der Digitalisierung von Prozessen, die derzeit noch viel Zeit und Mühe seitens des Pflege- und Ärztepersonals in Anspruch nehmen. Die Anwendung von KI-Technologien kann hierbei zum einen das medizinische Personal entlasten und zum anderen die Abwicklung von Prozessen effizienter und transparenter gestalten. Der Einsatz von KI kann sowohl für Patienten als auch für das medizinische Personal die Behandlung vereinfachen und die Übergabe an kritischen Schnittstellen, wie zum Beispiel, vom Hausarzt an die Klinik, optimieren. So werden beispielsweise auch die unterschiedlichen Akteure (z.B. Hausärzte, Krankenkassen, pharmazeutische Unternehmen) besser vernetzt. Zusammengefasst können die Digitalisierung und der Einsatz von KI-Technologien zu enormen Kostenreduzierungen im Gesundheitswesen beisteuern.
Was sind die Ziele des SmartHospital.NRW Projektes?
Prof. Antons und Dr. Stead: Um NRW in eine Spitzenposition im deutschen Gesundheitsmarkt bringen zu können, wird in SmartHospital.NRW ein Vorgehensmodell für die Transformation von bestehenden Krankenhäusern in NRW zu intelligenten Krankenhäusern der Zukunft („Smart Hospitals“) entwickelt und als Leuchtturmprojekt an der Universitätsmedizin Essen umgesetzt. Dazu werden zum einen auf KI basierende, hochinnovative Anwendungen wie Spracherkennung, Dialogsysteme, Wissensextraktion aus Texten (Natural Language Processing/Understanding) sowie Mustererkennung zur Automatisierung und Effizienzsteigerung von klinischen Prozessen, ebenso wie zur Gesundheitsdatenanalyse entwickelt. Zum anderen erfolgt die Einbettung dieser Use Cases in ein Gesamtkonzept, das darauf abzielt, zukünftig Translation aus der Forschung in die Versorgung zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Prozessoptimierung sicher zu stellen. Daher sind neben den entsprechenden Managementprozessen und Innovationen auch die Verstetigung der Ergebnisse sowie die Öffentlichkeitsarbeit mit einem Showroom zur Präsentation der Entwicklungen ein wichtiger Bestandteil des Verbundvorhabens.
Welchen Beitrag leisten Sie an der RWTH Aachen University für das Projekt?
Prof. Antons und Dr. Stead: Das Institut für Technologie- und Innovationsmanagement der RWTH Aachen (RWTH TIM) wirkt an der Entwicklung eines Vorgehensmodells der Wirkung und Verstetigung dieses Modells mit. In unterschiedlichen Arbeitspaketen entwickeln wir ein Messmodell bezüglich des KI-Durchdringungsgrads. Hierbei steht die Quantifizierung des Implementierungsstands der zentralen Aspekte im Fokus. Die dazugehörige Erprobung erfolgt im Rahmen einer Feldstudie. Außerdem untersuchen wir die Wirkung der im Projekt entwickelten prototypischen KI-Lösungen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien und aus Sicht der verschiedenen Stakeholder (z.B. Nutzer*in, Patient*in, Leitung). Schließlich werden tragfähige Geschäftsmodellalternativen und Vertriebskonzepte zum nachhaltigen Betrieb und einer möglichst weiten Verbreitung des Smart Hospital Konzepts sowie der spezifischen intelligenten Lösungen im deutschen Gesundheitswesen erarbeitet.
Was fasziniert Sie beide vor allem am Thema Künstliche Intelligenz?
Dr. Stead: Meines Erachtens nach befinden wir uns an einem revolutionären Wendepunk für Industrie und Gesellschaft, den wir durch eine fundierte Forschung und Entwicklung von KI-Technologien maßgeblich beeinflussen und beschleunigen können. Während in unserem Alltag KI-Innovationen, wie z.B. eine Alexa, Google HomePod Mini oder andere intelligente Sprachsteuerungssysteme, kaum weg zu denken sind, sieht die Realität des Einsatzes von KI in Industrie und Wirtschaft oft anders, eher ernüchternd, aus. Gerade aus medizinischer Sicht, bieten KI-Lösungen große Vorteile wie zum Beispiel Effizienzsteuerung und Entlastung des Personals. Gleichzeitig verhindern unterschiedliche Reifegrade in der Digitalisierung, sowie Risiken der Datensicherung und des Datenschutzes maßgebliche Fortschritte in der Entwicklung. Gerade in gesellschaftlich kritischen Bereichen wie dem Gesundheitswesen, diese Potentiale und Hürden mittels fundierter Forschung aufzudecken und den Digitalisierungsprozess maßgeblich mitgestalten zu können, ist eine tolle Herausforderung.
Prof. Antons: Nicht umsonst sprechen viele beim Thema Digitalisierung von der vierten industriellen Revolution. Die vergangenen industriellen Revolutionen haben das Wirtschaftsleben, die Arbeit und wie wir Wertschöpfung betreiben, aber auch den gesellschaftlichen und individuellen Wohlstand ganz entscheidend verändert. Das deutet ja schon darauf hin, dass sich durch die Digitalisierung in den Arbeitsabläufen von uns allen einiges verändern wird, was mit Veränderungen in Industriestrukturen einhergeht. KI ist sicherlich eine der Schlüsseltechnologien der Digitalisierung. Es gibt viele spannende Fragen zu beantworten, die darüber entscheiden werden, wie wir in Zukunft leben und arbeiten werden – was die Maschine darf, wie sie es darf und welche Rolle der Mensch spielen wird. Dies mitzuerleben und mit gestalten zu dürfen, ist eine tolle Herausforderung und eine verantwortungsvolle Aufgabe.
Welchen Wert messen Sie Künstlicher Intelligenz auch in anderen Bereichen (außer der Medizin) in Zukunft zu bzw. welche Chancen bietet Künstliche Intelligenz für die Zukunft im Allgemeinen?
Prof. Antons und Dr. Stead: Die Digitalisierung als industrielle Revolution und die KI als Schlüsseltechnologie darin kennen keine industriellen Grenzen. In jedem industriellen Sektor, sei es das Gesundheitswesen oder andere Dienstleistungszweige, das produzierende Gewerbe oder auch Infrastruktursektoren wie die Mobilität oder die Energie, überall können Geschäftsprozesse durch Sensoren oder durch Datenerfassungen und -eingaben digital erfasst werden. Dies bildet die Grundlage für viele Verfahren des Maschinellen Lernens als eine Facette Künstlicher Intelligenz. Aber auch Technologien wie Sprachsteuerungen oder die visuelle Erfassung von menschlichen Handlungen, z.B. bei Operationen oder aber Fertigungsprozessen, können universal eingesetzt werden. Dies ist ja gerade der Charakter einer industriellen Revolution: Durch die breite Verfügbarkeit von zentralen Schlüsseltechnologien verändern sich Arbeitsprozesse in eigentlich allen Sektoren.
Wie spielen die Themen Management und Künstliche Intelligenz zusammen?
Prof. Antons und Dr. Stead: Jede Veränderung in Organisationen sollte nicht zufällig passieren, sondern durch die Organisation und das verantwortliche Management erkannt und gestaltet werden. Organisationen, die Veränderungen in ihrem Umfeld nicht oder zu spät erkennen, werden regelmäßig Opfer ihrer eigenen Trägheit. Das haben wir in der Vergangenheit schon oft beobachten können. So zum Beispiel beim Wechsel der Analog- zur Digitalfotografie, bei dem Unternehmen wie Polaroid, Kodak oder das deutsche Agfa als Weltkonzerne in die Insolvenz gerieten. Oder im Bereich der Mobilfunkgeräte, wo Nokia als Unternehmen mit dem ersten Internet-fähigen Gerät, dem Nokia Communicator, es trotzdem nicht geschafft hat, die Veränderungen des Smartphone-Geschäfts zu verstehen – nämlich das hier nicht mehr die Hardware, sondern die Software und die Apps im Vordergrund stehen. All dies zu erkennen, die Organisation darauf vorzubereiten und die notwendigen Handlungen einzuleiten, sind Managementaufgaben.
Die RWTH Business School bietet neben Studiengängen auch maßgeschneiderte Weiterbildung für Unternehmen. Wie fließen Ihre Praxiserfahrungen in diese Programme ein?
Prof. Antons und Dr. Stead: Wir dürfen in unseren Projekten zahlreiche Unternehmen, nicht nur im Gesundheitswesen oder anderen Dienstleistungszweigen, sondern auch im produzierenden Gewerbe oder im Infrastrukturbereich bei ihren Schritten in die Digitalisierung und bei der Einführung Künstlicher Intelligenz begleiten. Dabei lernen wir viel über die Herausforderungen bei diesen Schritten. Diese Erfahrungen möchten wir weitergeben, um Unternehmen und Projektteams, die KI einführen wollen und sollen, das bestmögliche Rüstzeug für diesen Weg anzubieten.
Konsortialführer des Projekts ist die Universitätsmedizin Essen. Beteiligt sind zudem das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) sowie das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin und die Technische Universität Dortmund.
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Dr. Susan Stead
Leiterin
des Healthcare Innovation Labs
der RWTH Aachen University

Prof. Dr. David Antons
Direktor
des Instituts für Technologie- & Innovationsmanagement
der RWTH Aachen University